INISA-Stipendienbrief - Berlin, im Dezember 2022
Liebe Freundinnen und Freunde des südlichen Afrika,
der Angriff Russlands auf die Ukraine hat nicht nur bei uns Gewissheiten erschüttert und zu wirtschaftlichen Problemen geführt. Die Folgen des Krieges sind auch in Afrika unmittelbar zu spüren und machen die langsame Erholung der afrikanischen Länder von der Covid-19 Pandemie zunichte. Namibia importierte bislang rund 60% seines Weizens aus Russland und der Ukraine, Tansania sogar 70%. Verknappungen infolge des Krieges führen zu Preissteigerungen. Hinzu kommen steigende Preise für Düngermittel, die ebenfalls bislang häufig aus Russland importiert wurden. Vor allem Kleinbauern sind gezwungen, ihre Produktion zu reduzieren, da die benötigten Düngemittel teurer werden als das Getreide, das sie verkaufen.
Nahrungsmittel und Energiekosten (einschl. Brennstoffe) machen in den meisten afrikanischen Ländern mehr als ein Drittel des Verbraucherpreisindexes aus. Nach Studien der Global Crisis Response Group der Vereinten Nationen und dem VN-Entwicklungsprogramm UNDP sind die Preise für Lebensmittel selbst im vergleichsweise wohlhabenden Botswana um mehr als 7% gestiegen – ebenso in den deutlich ärmeren Ländern Lesotho und Madagaskar; in Mosambik sogar um mehr als 12%. Allein die gestiegenen Preise für Weizen und Mais führen z.B. in Südafrika zu durchschnittlichen Mehrausgaben aller Haushalte von über 3%. Hinzu kommen Preissteigerungen für Energie und Transport. Davon sind ärmere Menschen besonders betroffen, da sie oft längere Wege zu Arbeitsstätten oder Dienstleistungen zurücklegen müssen. Das Geld fehlt an anderer Stelle – zum Vergleich: rund 5% des Haushaltseinkommens werden in ärmeren Familien für Gesundheit ausgegeben.
Dennoch könnte der Russland-Ukrainekrieg auch Chancen für das südliche Afrika eröffnen. Kürzlich besuchte Wirtschaftsminister Robert Habeck Namibia und Südafrika, um für gemeinsame Investitionen in alternative Energieerzeugung zu werben. Länder des globalen Südens könnten Europa mit „grüner Energie“ zu versorgen und sich damit neue Einkommensquellen erschließen. Hier liegen Potentiale, die der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen sollten, denn es fehlt vor allem an qualifizierten Jobs und einem sicheren regelmäßigem Einkommen. Trotz einer leichten Verbesserung nach dem Covid-Jahr 2021 liegt die Arbeitslosigkeit in Südafrika immer noch bei rund 33 Prozent, bei den 15- bis 24-Jährigen haben 60 Prozent keinen Job. Davon sind besonders ungelernte Arbeiter betroffen. Unter diesen Bedingungen ist ein Studium eine Mühe, die viele junge Menschen des südlichen Afrikas mit Freude auf sich nehmen, weil es der einzige Weg ist, Armut und Perspektivlosigkeit zu entkommen. Denn die Universitäten des südlichen Afrikas vermitteln Qualifikationen und ermöglichen die Verwirklichung von Lebensträumen.
Unser Stipendienprogramm ist in dieser Situation ein Hoffnungszeichen. Jedes Jahr bewerben sich auf unsere Ausschreibung vielseitig interessierte und engagierte junge Frauen und Männer, die oft auf beeindruckende Weise soziale Not, erschütternde familiäre Umstände und Benachteiligungen aller Art überwinden, um zu studieren und damit ihrem Traum eines selbstbestimmten Lebens in Afrika näher zu kommen. Wir erleben Studierende, die lernen wollen, neugierig sind und sich in vielfältiger Weise engagieren. Für uns ist es jede Kraftanstrengung wert, dies so gut wie möglich zu unterstützen. Wir haben uns bei der INISA daher entschieden, in diesem Jahr erneut vier Stipendien zu vergeben. Wir bauen weiter darauf und sind optimistisch, dass Sie ebenso wie wir in jeder einzelnen Studentin und jedem einzelnen Studenten ein Hoffnungszeichen für das gesamte südliche Afrika sehen und uns auch weiter bei unserer Arbeit unterstützen.