09.01.2012: Homophobie in Afrika, Leipzig
Spurensuche nach den Ursachen für die Diskriminierung sexueller Minderheiten im Südlichen Afrika (Uni Leipzig) - ein Seminarbericht
Es referierten: Dr. Rita Schäfer, Ethnologin, über gesellschaftspolitische Ursachen für Homophobie am Beispiel Ugandas. Eva Range, Afrikanistin, über Kampagnenarbeit gegen Hassverbrechen an sexuellen Minderheiten in Südafrika.
Zu Beginn der Veranstaltung gaben Dr. Björn Opfer-Klinger von der Leipziger Arbeitsgruppe terre des hommes (tdh) und Andreas Baumert, Vorsitzender der Initiative Südliches Afrika e.V (INISA), einen Einblick in die Arbeit der Leipziger Ortgruppen von tdh und INISA und beschrieben die Dringlichkeit, die das Thema Homophobie in vielen afrikanischen Staaten erlangt habe:
Nicht nur gewaltsame Übergriffe von Einzelpersonen und Clans auf Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten hätten ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Auch Gewalt, die von offizieller Seite ausgehe, sich teils sogar in neu erlassenen Gesetzen oder Gesetzentwürfen niederschlage, sei in einigen Ländern Afrikas ein wachsendes Problem.
Das Beispiel Uganda
Die Ethnologin Dr. Rita Schäfer bezog sich in ihrer Beschreibung der Lage sexueller Minderheiten in Uganda auf Informationen des Netzwerkes Behind the Mask. Die Webseite von Behind the Mask bildet für viele afrikanische Aktivisten und Organisationen ein bedeutsames Forum für ihren Kampf gegen die Diskriminierung. Hier lässt sich auch der Fall David Kato nachvollziehen, der 2011 weltweit für Aufsehen gesorgt hatte. David Kato war im Januar 2011 ermordet worden – und zwar nachdem er einen Prozess gegen die ugandische Zeitung Rolling Stone gewonnen hatte. Eben diese Zeitung hatte 2010 sein Foto als eines von hundert Portraits abgebildet und mit dem Aufruf „Hang them“ überschrieben. Die Zeitung forderte damals auf diese Weise direkt zu Gewalt gegen die abgebildeten hundert Personen auf und führte als Begründung die Homosexualität der Abgebildeten an.
Der Fall des Menschenrechtlers David Kato, der einem homophoben Straftäter zum Opfer fiel, müsse – so erläuterte Dr. Schäfer – im Zusammenhang mit der langjährigen Tradition Ugandas gesehen werden, sexuelle Minderheiten zu diskriminieren. Schon 1950 hatte es in Uganda eine koloniale Gesetzgebung gegeben, die homosexuelle Handlungen als naturwidrig ansah und mit einer 14-jährigen Haft bestrafte. Obwohl Homosexualität in Uganda bereits scharf verfolgt wurde, ging 2009 im Ugandischen Parlament ein Gesetzentwurf ein, der noch härtere Strafen gegen sexuelle Minderheiten forderte. Dieser neue Gesetzentwurf, so Schäfer, sah vor, dass nicht nur homosexuelle Handlungen bestraft werden sollten (und zwar mit lebenslänglicher Haft), sondern auch die Beihilfe zu homosexuellen Handlungen. Wer als Angehöriger eines Homosexuellen dessen sexuelle Orientierung nicht der Polizei meldete, sollte dafür sieben Jahre hinter Gitter. Für Menschen, die HIV positiv sind und trotzdem sexuelle Handlungen ausübten, sah der Gesetzentwurf sogar die Todesstrafe vor. Auf diese Weise, so Schäfer, sollte die Schuld für die hohe HIV-Rate Ugandas den Homosexuellen zugeschrieben werden.
Der Gesetzentwurf wurde weder beschlossen, noch fallen gelassen, er wurde – nachdem Regierungen, Europäische Union, Amnesty International und viele weitere Organisationen und politische Repräsentanten protestiert hatten – auf Eis gelegt. Ein großes, bestehendes Problem bei der Ursachenbekämpfung solcher homophober Bestrebungen ist Schäfer zufolge die schlecht kontrollierte Registrierung von Organisationen als Nichtgerierungsorganisationen. In Uganda können sich Kirchengemeinden als Nichtregierungsorganisationen registrieren lassen – darunter auch homophobe Netzwerke wie das Family Network. Sie gelangen so, im schlimmsten Fall, an Gelder der Vereinten Nationen, die eigentlich für den Kampf gegen Aids bestimmt sind. Gerade kirchliche Netzwerke hätten in Uganda vielfach eine enge Verknüpfung mit der Politik, so Schäfer. Die radikal-homophobe Pfingstkirche etwa werde von der ugandischen First Lady unterstützt. Uganda, so Schäfer, ist ein hochkompliziertes Nachkriegsland, das mehrere Diktaturen und eine brutale Kolonialisierungspraxis der Engländer hinter sich hat. Seine Geschichte sei von Gewalt geprägt und der Fokus auf Homosexuelle sei oft ein Ablenkmanöver von innerpolitischen Konflikten.
Durch seine lange, gewaltgeprägte Geschichte sei Männlichkeit jenseits von Militarisierung in Uganda für große Teile der Bevölkerung kaum vorstellbar. Homosexualität aber werde als ein Angriff auf das kriegerische Männlichkeitsideal gesehen. Welche Ausmaße der Hass besonders gegen Homosexualität annehme, zeigten die Vorfälle in ugandischen Flüchtlingslagern. Hier würden regelmäßig Jugendliche und junge Männer von Mitgliedern des Militärs vergewaltigt – um die Flüchtlinge auf diese Weise zu demütigen. Während freiwillige homosexuelle Handlungen kriminalisiert würden, sei die eben beschriebene Form sexualisierter Gewalt ein gezieltes politisches Mittel. Die Rolle vieler Kirchen, gerade der amerikanischen Missionskirchen in Uganda, sei dabei, das Ganze als Kulturkampf zu inszenieren und damit ideologisch zu überlagern.
Die Triple Seven Kampagne in der Republik Südafrika
Eva Range ging in ihrem Vortrag auf Südafrika ein, das von allen afrikanischen Ländern die liberalste Gesetzgebung für sexuelle Minderheiten hat. Die südafrikanische Gesetzgebung erkenne Homosexualität an und sehe Schutzmaßnahmen gegen Diskriminierung vor. Dieser rechtlich verankerte Schutz vor Diskriminierung war bei seiner Einführung ein radikaler Abschied von der Gesetzgebung, die das Apartheidregime geprägt hatte, eine Gesetzgebung unter der Homosexualität illegal war. Bei der Implementierung seiner neuen Gesetzgebung, so Range, war Südafrika auf rechtlichem Gebiet ein Vorreiter in der Gleichberechtigung sexueller Minderheiten.
Die Praxis jedoch löse bis heute das rechtliche Versprechen der Gleichbehandlung nicht ein. Sexuelle Gewalt im Allgemeinen und Gewalt an sexuellen Minderheiten im Besonderen seien weit verbreitete Probleme in Südafrika. Die Organisationen, die sich für den Schutz sexueller Minderheiten einsetzen, könnten meist nur in den Städten und umliegenden Gebieten Einfluss nehmen. Gerade in den Townships und auf dem Land sei man aber weit von der faktischen Gleichberechtigung entfernt. Wie groß das Ausmaß sexueller Straftaten in Südafrika ist, liege dabei im Dunkeln. Viele Opfer sexueller Gewalt melden sich nicht bei der Polizei, so Range. Die Polizei registriere entsprechende Straftaten oft erst gar nicht, viele Opfer fühlten sich erneut gedemütigt und im Stich gelassen. Die triple-seven-Kampagne ist ein Zusammenschluss südafrikanischer Organisationen, die versuchen, das Ausmaß homophober Gewalt öffentlich zu machen, und die sich für ein schärferes polizeiliches und juristisches Vorgehen einsetzen.
Darüber hinaus geht es triple-seven darum, dass Opfer sexueller Gewalt besser seelisch betreut werden. triple-seven spielt auf ein Datum an, das bei den Menschenrechtsaktivisten in Afrika ein Symbol für das Ausmaß der Homophobie in ihrem Land ist, den 7.7.2007. Damals wurden zwei lesbische Frauen auf sehr brutale Weise ermordet – eine von ihnen war selbst eine bekannte, südafrikanische Menschenrechtsaktivistin.
Diskussion
In der Fragerunde, die sich an die Vorträge anschloss, betonte Dr. Rita Schäfer noch einmal die Bedeutung des historischen Kontextes für den Hass, dem Angehörige sexueller Minderheiten in Afrikanischen Ländern häufig begegnen. Denn homophobes Gedankengut gab es schon in der Kolonialzeit. In Südafrika käme noch als ein Faktor hinzu, dass schon in den 1920er Jahren weiße Missionare homosexuelle Handlungen als unchristlich anprangerten und besonders in ländlichen Gegenden Ängste schürten, indem sie das Schreckensbild schwarzer Arbeiter verbreiteten, die weiße Farmerinnen vergewaltigten. Die Politik weißer Kolonialisten und die Gewaltkultur des Apartheidregimes hätten einen großen Anteil an heutigen Tendenzen, sexuelle Minderheiten zu verdammen. Zum Abschluss der Veranstaltung wurde auf den Film „Getting Out“ hingewiesen, der Diskriminierungspraktiken gegen Homosexuelle beleuchtet und der kostenlos auf der Internetseite des „Refugee Law Project“ angeschaut werden kann.
Verantwortlich: terre des hommes AG Leipzig und INISA e.V. Für Rückfragen: Sabine Schulze, tdh.leipzig@yahoo.de
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